Ein voller Tag blieb uns nun noch im Raum Kyoto, und da wir die von uns ausgewählten Ziele in der Stadt bereits besichtigt hatten (für alles bräuchte man hier wohl ein Jahr oder länger), fuhren wir heute mit dem Zug in die ca. eine Stunde entfernte Stadt Nara, Japans erste dauerhafte Hauptstadt. Sie zählt aufgrund ihrer insgesamt acht Welterbestätten der Unesco zu den interessantesten Reisezielen des Landes.
Leider war das Wetter heute nicht allzu berauschend, wolkenverhangenes Grau in Grau. Dennoch war es unsere letzte Chance, nach Nara zu kommen, also gab es keinen Plan B. Mit dem Zug vom Bahnhof Kyoto erreichten wir Nara nach einer Stunde, wo es rechtzeitig zu unserer Ankunft recht stark zu regnen begann. Also suchten wir erstmal Unterschlupf beim örtlichen Starbucks und versuchten bei einem Kaffee, den ärgsten Regen auszusitzen. Als wir uns nach einer guten halben Stunde entschlossen, in Richtung des Parks Nara-koen aufzubrechen, in dem sich die meisten Attraktionen befinden und der sich für gemütliche Spaziergänge inmitten von Natur und zahmer Rehe eignet, ließ der Regen tatsächlich etwas nach. Nach etwa 15 Minuten erreichten wir den Kofuku-ji, den Tempel, der sozusagen das Eingangstor zum Nara-koen bildet. Besonders erwähnenswert sind seine zwei Pagoden, von denen eine die zweithöchste Japans ist.
Kofuku-ji |
Zweithöchste Pagode Japans |
Ab diesem Zeitpunkt waren Heerscharen von Touristen und Rehe unsere ständigen Begleiter, wobei Letztere irgendwie netter sind. Nach dem Kofuku-ji peilten wir den in den Reiseführern angepriesenen Isui-en-Garten an. Bei unserer Ankunft mussten wir jedoch leider feststellen, dass der Garten genau jeden Dienstag geschlossen ist; ein kleingedrucktes Detail, das wir im Reiseführer leider überlesen hatten. Als Entschädigung war zumindest der Nachbargarten Yoshiki-in geöffnet und sogar gratis. Zu unserer Freude war dieser Garten auch kaum besucht, konnte aber durchaus mit den schöneren Gärten, die wir bisher gesehen hatten, mithalten. Auf der Anlage steht ein bezauberndes kleines Landhaus samt Strohdach, es gibt den obligatorischen Teich und mehrere Spazierwege. Hier und da kann man von einer erhöhten Stelle aus sogar einen Blick auf den benachbarten Isui-en-Garten erhaschen. Da uns der Yoshiki-in aber wirklich gut gefiel, ärgerten wir uns nicht weiter, dass wir nur ihn besuchen konnten.
Yoshiki-in |
Reh mit Torii im Hintergrund |
Der Regen hatte sich indes auch verflüchtigt, weshalb wir unseren Weg gut gelaunt zur Hauptattraktion Naras fortsetzten: dem Todai-ji. In der Daibutsu-den, der gewaltigen Haupthalle der Anlage, steht (oder besser gesagt, „sitzt“) einer der Hauptgründe für die hier wuselnden Menschenmassen, der berühmte Daibutsu (Großer Buddha). Die Daibutsu-den ist das größte Holzgebäude der Welt, was auch notwendig ist, sonst hätte die furchteinflößende, 15 Meter hohe Buddha-Statue aus Bronze keinen Platz. In der Halle, in deren Mitte der Daibutsu thront, stehen ringsum noch weitere imposante Statuen von wichtigen Glaubensgestalten. Von allen Tempeln und Schreinen, in denen wir bisher waren, ist dieser mit Abstand der ehrfurchtgebietendste. Nur schwer kann man seinen Blick von der Buddha-Statue abwenden, die 746 gegossen und im Laufe der Zeit wiederholt durch Erdbeben und Feuer in Mitleidenschaft gezogen wurde. Er verlor sogar einige Male seinen Kopf, weshalb Kopf und Körper sich auch farblich unterscheiden.
Daibutsu-den |
Daibutsu (Großer Buddha) |
Den restlichen Nachmittag spazierten wir noch zu anderen interessanten Tempeln des Nara-koen, wobei sie einen nach einem Besuch des Todai-ji und der Daibutsu-den und einigen Tagen Kyoto nicht mehr vom Hocker hauen können. Zumindest war das bei uns so. Hervorzuheben ist vielleicht noch der Kasuga Taisha, der sich am Fuße eines Hügels inmitten eines Waldes befindet. Hunderte Laternen säumen die Pfade, und viele Hunderte mehr schmücken den Schrein selbst.
Kasuga Taisha |
Glücklicherweise blieben wir den restlichen Nachmittag vom Regen verschont und konnten trocken aus dem schönen Nara-koen herausspazieren, um uns vor unserer Rückfahrt nach Kyoto noch ein Essen in der Nähe des Bahnhofs einzuwerfen. Gesättigt und doch etwas müde von der großen Runde durch den Park stiegen wir in den Zug.
Im Hotel in Kyoto planten wir die nächsten Tage noch etwas genauer, für weitere abendliche oder nächtliche Erkundungstouren waren wir definitiv zu geschlaucht.
Am nächsten Tag konnten wir uns ausgiebig ausschlafen, bevor wir am späten Vormittag aus unserem Hotel auscheckten und uns zum Bahnhof aufmachten, wo wir nach einem köstlichen McDonald’s-Imbiss in unseren Zug nach Kanazawa stiegen. Wir waren beinahe etwas froh, unsere Zelte wieder abzubrechen und in einen anderen Teil Japans aufzubrechen. Kyoto hatte uns zwar außerordentlich gut gefallen, dennoch bekamen wir schon leichten Lagerkoller und hofften auch, in Kanazawa, das mit seinen 465.000 Einwohnern ja fast schon Kleinstadtcharakter in Japan hat, den Touristenarmeen etwas entfliehen zu können. Kyoto verabschiedete uns jedenfalls mit strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen. Die Fahrt nach Kanazawa dauerte knapp über zwei Stunden und wurde leider mit keinem Shinkansen durchgeführt. Da hatten wir die erschreckende Erkenntnis, dass wir auf unserer Reise keine Shinkansen-Fahrt mehr haben werden. Denn ab Kanazawa geht es bis nach Tokio über mehrere Stationen nur noch mit dem Bus weiter.
Am Bahnhof waren wir schon erfreut, hier nur Hunderte Menschen vorzufinden, anstatt die Abertausenden auf dem Bahnhof in Kyoto. In Kanazawa hatten wir zur Abwechslung mal kein Hotel, sondern eine kleine japanische Wohnung gemietet, die sich nur einige Gehminuten vom Bahnhof in einer netten Nebenstraße befindet. Dort angekommen wurden wir gleich vom netten jungen Vermieter in Empfang genommen, der uns im Zuge etlicher Verbeugungen alles zeigte und erklärte. Da die Sonne immer noch vom Himmel lachte und wir noch einige Stunden Licht hatten, machten wir uns nur kurz frisch und gingen gleich weiter zum unweit gelegenen Burgpark Kanazawa, hinter dem sich unser eigentliches Hauptziel des heutigen Tages, der Kenroku-en-Garten, befindet. Der Weg zum Burgpark durch die hübschen und einladenden Straßen der Stadt war eine willkommene Oase der Stille. Auch im weitläufigen Park der interessanten Burg findet man noch Ruhe, erst beim Kenroku-en selbst, der als einer der schönsten Gärten Japans gilt, muss man sich wieder unter die Massen mischen, die hier irgendwie aus dem Nichts erschienen waren, als hätten sie bereits die ganze Zeit über dort auf uns gewartet. Der Garten wurde in der Edo-Zeit angelegt und sein Name (kenroku heißt „kombinierte Sechs“) geht auf einen berühmten chinesischen Garten der Sung-Dynastie zurück, der sechs Attribute festlegte, um als perfekt gelten zu können: Abgeschiedenheit, Weite, künstlerische Gestaltung, lange Geschichte, reichlich Wasser und eine ungehinderte Aussicht. Und all das findet man im Kenroku-en tatsächlich. Wenn man durch dieses kleine Paradies spaziert, blendet man schnell alles um sich herum aus und genießt es einfach nur, hier zu sein. Darüber hinaus gibt es einen Pflaumenhain, in dem sich ein blühender Baum an den anderen reiht. Welchen Garten wir am Ende unserer Reise zu unserem persönlichen Favoriten ernennen werden, bleibt zwar noch offen, der Kenroku-en ist aber definitiv ein ernstzunehmender Kandidat!
Kenroku-en 1 |
Kenroku-en 2 |
Kenroku-en 3 |
Kenroku-en 4 |
Auf unserem Rückweg spazierten wir noch einmal durch den innerhalb der Burgmauern gelegen Teil des Burgparks, in dem sich ebenfalls noch ein kleiner recht netter Garten versteckt, über den man die Anlage verlassen kann.
Gyokusen'inmaru Garten |
Da wir bis auf diverse McDonald’s-Burger noch nichts im Magen hatten, war es an der Zeit, ein Restaurant für unser Abendessen auszuwählen. Kanazawa liegt am Meer und ist auch gerade deshalb für sein hervorragendes Sushi bekannt. Wir wählten ein im Internet sehr gut bewertetes Lokal in unserer Nähe aus, in dem wir aber leider keinen Platz mehr bekamen. So beschlossen wir kurzerhand, am nächsten Tag auf dem Fischmarkt unser Sushi-Glück zu versuchen und heute jeglichem japanischen Essen abzusagen und unseren italienischen Nachbarn mit dem Verzehr einer Steinofenpizza zu huldigen. Und das bereuten wir keineswegs, erstens bekamen wir noch einen Platz und zweitens schmeckte die Pizza vorzüglich und würde selbst in Italien positiv herausstechen. Egal, was die Japaner zubereiten, sie erreichen fast immer Perfektion.
Nach diesem köstlichen Mahl zogen wir uns in unsere Wohnung zurück, in der wir es uns den restlichen Abend gemütlich machten und uns ein wenig das Programm für den morgigen Tag in Kanazawa überlegten.
Ausgewählte Kuriositäten:
Ausgewählte Kuriositäten:
- Japan hat ein großes Problem mit der Überalterung der Bevölkerung – durch die niedrige Geburtenrate von 1,3 steuert das Land direkt auf eine Seniorengesellschaft zu. Jeder dritte Japaner ist über 65 und bis 2025 soll das Durchschnittsalter bei 50 Jahren liegen. So verkauft der größte Windelhersteller des Landes bereits heute mehr Inkontinenz- als Babywindeln.
- Während Japan immer älter wird, steigt auch die Zahl der Haustiere. So sind in Japan mehr Katzen und Hunde behördlich angemeldet als Kinder unter 15 Jahren. Da ist es auch nur logisch, dass es in den Supermärkten ein größeres Sortiment an Tiernahrung als Babynahrung gibt.
- Und wo wir gerade beim Thema Kinder sind: Traditionell spielen Geburtstage in Japan eigentlich keine Rolle. Wenn am 1. Jänner das neue Jahr beginnt, werden alle kollektiv ein Jahr älter – der genaue Tag der Geburt ist also irrelevant, nur das Geburtsjahr ist von Bedeutung. Mittlerweile bekommen Kinder an ihren Geburtstage jedoch meist eine Kleinigkeit.
- Japan gilt als eines der sichersten Länder der Welt – und das völlig zu recht. So gibt es in Japan jährlich ungefähr an die 1.000 Gewaltverbrechen. Im Vergleich dazu ist die Selbstmordrate mit ungefähr 30.000 Selbstmorden pro Jahr geradezu bedenklich hoch.