Sonntag, 17. März 2019

Kyoto Tag 2

Weil man von der schieren Masse an Sehenswürdigkeiten in Kyoto fast erschlagen wird und viele der interessantesten Tempel und Schreine weit voneinander entfernt liegen, entscheidet man sich am besten für einen Bereich und plant dort eine möglichst gute Route, um nicht den halben Tag in Bussen, Taxis oder Zügen zu verbringen. So entschieden wir uns für Arashiyama & Sagano am Fuß der Berge westlich von Kyoto, denn dieses Gebiet bietet nach Higashiyama im Osten die größte Dichte an Sehenswürdigkeiten.
Regenschauer hielten uns davor ab, ganz früh zu starten, auch weil die bisher immer sehr verlässlichen Wettervoraussagen im Laufe des Vormittags besseres Wetter versprachen. Demnach starteten wir kurz vor 10 Uhr mit dem Zug vom nahe gelegenen Bahnhof Kyoto nach Arashiyama. Bei dieser Tour, die nahezu den ganzen Tag in Anspruch nehmen sollte, standen mehrere Tempel, Schreine, Gärten und mehr auf dem Programm. Im vollgestopften Zug – noch dazu war auch Samstag – befürchteten wir schon das Schlimmste in Sachen Touristenlawinen. Allerdings sollten wir positiv überrascht werden, denn als wir uns zu Fuß zu unserem ersten Ziel, dem Daikaku-ji, begaben, fanden wir uns schnell ganz allein in einem edlen Wohnviertel mit hübschen kleineren und größeren, von Gärten umschlossenen Anwesen wieder. Wir dachten zuerst, die meisten Touristen wären einfach mit dem Bus weiter zum Schrein gefahren, doch auch den Daikaku-ji selbst teilten wir uns nur mit ein paar vereinzelten Besuchern – eine durchaus erfreuliche und willkommene Abwechslung in Kyoto. Wir verstanden dabei aber nicht wirklich, warum das der Fall war. Der Schrein mag zwar nicht einer der gewaltigsten und beeindruckendsten der Stadt sein, dennoch fehlte es ihm an nichts. Die Bauwerke selbst standen denen anderer Schreine in nichts nach, und ein hübsch angelegter, netter Garten im Innenbereich der Anlage sowie ein großer Teich außerhalb komplettierten das Gesamtbild.
Garten im Innenbereich des Daikaku-ji 1

Buddha-Statue im Tempel

Garten im Innenbereich des Daikaku-ji 2

Teich außerhalb des Daikaku-ji
Aber wir kamen vor allem zu dem Entschluss, dass die Ruhe aufgrund der wenigen Besucher ausschlaggebend war, dass uns dieser Schrein so sehr zu gefallen wusste, denn gerade diese Ruhe verleiht den Schreinen etwas Magisches.
Höchsterfreut und positiv überrascht setzten wir unseren Weg zum buddhistischen Tempel Gio-ji fort, der nur weitere 20 Fußminuten entfernt lag. Der Gio-ji, und andere Tempel sind mit einer wunderschönen, traditionellen japanischen Straße verbunden, die links und rechts von netten Teehäusern, kleinen Restaurants und Wohnhäusern mit Gärten gesäumt ist. Die Hauptattraktion des winzigen Tempels, der versteckt am Fuße eines bewaldeten Berghangs liegt, ist der üppige Moosgarten vor der reetgedeckten Halle des Tempels selbst. Auch hier genossen wir weiterhin angenehme Ruhe. 
Gio-ji
Am Weg zum Tempel hatten wir bereits ein nettes Ramen-Restaurant erspäht, das wir am Weg zurück hungrig aufsuchten. Da wir hier die einzigen Gäste waren, befürchteten wir schon, einen Fehler begangen zu haben, doch der allein arbeitende Betreiber und Koch, ein alter, freundlicher Japaner, zauberte uns ein vorzügliches Mittagsmahl, das uns die nötige Kraft für weitere kulturelle Weiterbildung verlieh.
Wieder nur ein paar Minuten die besagt Straße hinauf erreichten wir den Adashino Nenbutsu-ji, einen recht ungewöhnlichen Tempel, auf dessen Gelände die sterblichen Überreste mittelloser Menschen bestattet wurden, die keine näheren Verwandten hatten. Mehrere tausend dicht an dicht stehende Steinbildnisse zeugen davon. Dieser Tempel ist zwar nichts, was man unbedingt gesehen haben muss, dennoch unterschied er sich stark von den bisher gesehenen, weshalb sich der kurze Abstecher auf jeden Fall lohnte. 
Adashino Nenbutsu-ji Friedhof
Wir folgten nun der Straße wieder abwärts, erneut vorbei am Gion-ji, und machten als Nächstes beim Nison-in Halt. Dieser auch eher überschaubar große Tempel wurde im 9. Jahrhundert erbaut und wartet vor allem mit eigentümlichen Friedhöfen an bewaldeten Berghängen sowie zwei wichtigen Buddha-Statuen auf. Er gefiel uns aber von den heute besichtigten am wenigsten. 
Nison-in
Dazwischen ein kurzes Touristen-Update: Immer noch sehr ruhig. Der Weg Richtung Süden führte uns als Nächstes zum Jojakko-ji, einem Tempel, der auf einem moosigen Hügel thront und neben den im November errötenden Ahornbäumen auch für das Nio-mor-Tor mit seinem Reetdach berühmt ist. Etliche Treppen führen durch die Anlage den Hügel hinauf und oben angekommen wird man mit einem grandiosen Ausblick über den Tempel und Kyoto belohnt. Kurz zeigte sich uns sogar ein hübscher Regenbogen über den Hügeln im Nordwesten. Hier herrschte zwar schon wieder etwas mehr Andrang als in den vorhergehenden Tempeln, aber trotzdem war die Lage noch sehr überschaubar. Der Jojakko-ji hatte es damit definitiv in unsere Top-3-Tempel geschafft.
Blick Richtung Kyoto mit Jojakko-ji 
Martin, Gianni, Philipp
Zufrieden verließen wir die Anlage und spazierten weiter südwärts, bis wir bei der in den Reiseführern größten Attraktion der Gegend angekommen waren: dem Arashiyama-Bambushain. Schon am Weg dorthin bemerkten wir, dass er wohl nicht nur in unseren Reiseführern angepriesen wurde, denn wie einer beginnenden Ameisenstraße näherten wir uns anscheinend dem Nest in Form des Hains. Beim Hain angekommen, der mehr oder weniger „nur“ ein kurzer Weg durch einen Bambuswald ist, türmten sich die Menschen. So warfen wir erstmal nur einen ersten Blick auf den Hain und bogen zum Okochi Sanso, einem großzügigen Anwesen gleich um die Ecke, ab. Dank des recht teuren Eintritts konnten wir hier den Massen ein wenig entgehen und die Ruhe dieses wunderschönen Gartens genießen. Bevor wir den kurzen Rundweg auf uns nahmen, schlürften wir beim Eingang einen eigenartig cremigen Grünen Tee mit noch eigenartigerem Grüntee-Biskuit. 
Gianni, Martin

Garten Okochi Sanso
Der Garten gilt nicht umsonst als einer der reizvollsten Kyotos, denn neben den vielen blühenden Büschen und Bäumen, die von verwunschenen Pfaden umschlungen werden, tut sich einem auch eine sagenhafte Aussicht nach Osten über die Stadt auf. Ein echtes Highlight Arashiyamas! Dagegen enttäuschte der Bambushain, in dem wir uns daraufhin durch die unzähligen Touristen kämpften, die offensichtlich alle versuchten, dort ihr perfektes Instagram- oder Facebook-Selfie zu schießen, sogar ein wenig. Blendet man die Massen aus, hat der Hain schon etwas für sich, denn die dicken, grünen Bambusrohre scheinen sich unendlich in alle Richtungen zu strecken und das hereinfallende Licht hat etwas ganz Seltsames. 
Arashiyama-Bambushain
Nichtsdestotrotz verließen wir den Hain etwas unbeeindruckt in Richtung unseres letzten Ziels, dem Tempel Tenryu-ji. Dort angekommen mussten wir allerdings feststellen, dass wir gerade um ein paar Minuten zu spät gekommen waren, denn sie schlossen quasi vor uns seine Pforten. Das war unserer Unerfahrenheit in Sachen Tempelbesichtigung geschuldet, von nun an werden wir die Öffnungszeiten genauer im Blick behalten, um nicht noch einmal vor verschlossenen Toren zu enden.
Tenryu-ji
Da es ohnehin schon dämmerte und wir in Summe doch schon weit gegangen waren, beschlossen wir, mit dem nächsten Zug zu unserem Hotel zurückzukehren, wo wir uns noch kurz entspannten und ein Lokal für unser Abendessen auswählten. Die Entscheidung fiel auf ein nicht weit entferntes Yakiniku-Lokal. Hier befindet sich eine in die Mitte des Tisches eingelassene Grillgrube mit Rost, auf den man nach Belieben Fleisch und Gemüse grillen kann. Aus akuter Angst vor dem Verhungern bestellten wir wie so oft viel zu viel. Das Ganze war zwar ein bisschen ein Tohuwabohu, allerdings schmeckte vor allem das selbstgegrillte Fleisch vorzüglich. Müde und angegessen trugen uns unsere Beine nur noch zurück in unser Hotel, wo ein eindrucksvoller Tag zu Ende ging.

Ausgewählte Kuriositäten:

  • Kyoto ist mit ungefähr 50 Millionen Touristen im Jahr eine der am meisten besuchten Städte der Welt. Die Touristen kommen zwar aus aller Welt, viele von ihnen sind aber auch Japaner. Sie kommen vor allem im Frühjahr während der Kirschblüte und im Herbst wegen der Blätterfärbung der Ahornbäume nach Kyoto.
  • Das Vorankommen in Kyoto ist nicht immer ganz einfach, weshalb in vielen Reiseführern auch empfohlen wird, die Stadt mit dem Fahrrad zu erkunden. Man sollte sein Fahrrad aber nicht irgendwo abstellen, dafür gibt es nämlich eigene Fahrradparkplätze. Diese sind jedoch kostenpflichtig. Dafür haben die meisten Fahrräder Regenschirmhalterungen.
  • Und wo wir gerade bei Regenschirmen sind: Wenn es regnet, gibt es vor sämtlichen Läden, Restaurants, Hotels usw. eigene Plastiksackspender, um den Regenschirm einzupacken und nichts nass zu machen.
  • Die Japaner scheinen Plastik ohnehin zu lieben. Neben den Plastiksäcken für Regenschirme bekommt man vor Tempeln und Schreinen auch Plastiksäcke für die eigenen Schuhe, da man diese vor dem Betreten ausziehen muss.


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