An unserem dritten Tag in Kyoto wurden wir erstmal von Regen begrüßt. Dennoch rafften wir uns auf und verließen gegen 8 Uhr unser Hotel. Heute hatten wir uns ob des Wetters und um nicht die Lust am Besichtigen zu verlieren, kein allzu dichtes Programm vorgenommen. Mit der U-Bahn ging es als Erstes zur großen Burg Nijo-ji, bei der wir gerade rechtzeitig zur morgendlichen Öffnungszeit eintrafen. Ihre imposanten Burgmauern und Wallanlagen führen einem die ganze Militärmacht der damaligen Shogune, der großen Kriegsherren Japans, vor Augen. Hinter den Mauern versteckt sich ein prunkvoller Palast, der von schönen Gärten umgeben ist. Wir durchschritten den eindrucksvollen Palast mit seinen schön bemalten Räumen, in denen hier und da auch mit Figuren Szenen aus der damaligen Zeit nachgestellt wurden. Leider war der Regen inzwischen wieder stärker geworden und darüber hinaus waren große Teile der Anlage aufgrund von Renovierungsarbeiten abgesperrt oder verhüllt. So war unser Besuch dieser an sich zweifellos spektakulären Gärten ein eher nasses als berauschendes Erlebnis.
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Tonan Sumi Yagura (Wachturm) |
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Ninomaru Goten Palast |
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Ninomaru Goten Palastgarten bei Regen |
Nach einem kurzen Kaffeestopp kämpften wir uns durch den anhaltenden Regen weiter zum ausgedehnten Kaiserlichen Palastpark, der nur gute 15 Minuten von der Nijo-ji entfernt ist. Da Gosho (Kaiserpalast) selbst im Vergleich zu anderen Burgen und Attraktionen weniger spektakulär sein soll und ein Besuch ohnehin nur nach Anmeldung möglich ist, beschlossen wir, nur den Park zu durchschreiten. Als wir beim Park ankamen, hatte der Regen etwas nachgelassen und wir wurden sogar mit einigen blühenden Kirsch- und Pflaumenbäumen belohnt. In dieser grünen Lunge Kyotos wechseln sich offene Flächen mit einer großen Vielfalt an in unserem Fall zum Glück blühenden Bäumen ab.
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Blühende Bäume im Kyoto Gyoen (Imperialpalast Park) |
Als wir unsere Parkdurchquerung beendet hatten, gönnten wir uns am Nordende ein Taxi, mit dem wir uns zum etwas weiter entfernten Daitoku-ji führen ließen. Dort angekommen hatte der Regen wiedereingesetzt, was unsere Besichtigung dieses schönen Tempels aber nicht weiter beeinträchtigte. Der Daitoku-ji ist mit seinen perfekt geharkten Gärten und mäandernden Wegen irgendwie eine ganz eigene Welt. Im Haupttempel und den Zen-Gärten, die er umschließt, herrscht strenges Fotoverbot. Selbst als ich nur einen kurzen Blick auf mein Handy warf, wurde ich streng aufgefordert, das Handy nicht in meine Hosentasche, sondern in den Rucksack zu stecken. Um die Heiligkeit der Tempel nicht zu besudeln, folgte ich artig.
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Daitoku-ji von außen |
Da es immer noch nicht zu regnen aufgehört hatte und wir schon etwas durchnässt waren und sich erste Hungersignale meldeten, beschlossen wir, über Mittag zum Hotel zurückzukehren, um etwas zu essen und uns ein wenig auszuruhen. Mit neuer Kraft und bei aufklarendem Wetter starteten wir unsere Nachmittagstour in Richtung des im Osten Kyotos gelegenen Maruyama-koen. Dieser Park scheint bei Einheimischen und Besuchern gleichermaßen beliebt zu sein, denn hier trafen wir heute erstmals wieder auf größere Menschenansammlungen. Hier erwarten Besucher Teiche, Souvenirläden, Restaurants sowie einige kleine und größere Tempel und Schreine. Am Eingang trifft man gleich auf den Yasaka-jinja, einen farbenprächtigen, großen Schrein, der als Schutzschrein des Vergnügungsviertels Gion gilt. Hier waren definitiv die meisten Menschen unterwegs, vor allem einheimische Frauen, die sich in ihren Kimonos in allen möglichen Posen fotografieren ließen.
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Yasaka-jinja |
Wir folgten den Wegen des Parks, bis wir beim beeindruckenden Chion-in ankamen, bei dem sich urplötzlich viel weniger Menschen tummelten. Der Chion-in besteht aus einem Komplex von hochaufragenden Gebäuden und weiten Höfen.
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Chion-in |
Inzwischen lachte auch wieder die frühabendliche Sonne vom Himmel, weshalb wir beschlossen, auch noch zum etwas nördlich des Parks gelegenen Shoren-in zu spazieren. Der Tempel ist zwar dank seiner riesigen Kampferbäume, die vor seinen Mauern wachsen, kaum zu übersehen, doch erfreulicherweise scheinen die meisten Touristen auf dem Weg zu den berühmten Tempeln direkt an ihm vorbeizugehen. Das freute uns natürlich, denn so konnten wir dieses kleine Heiligtum mit seinem fantastischen Garten in relativer Ruhe genießen.
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Garten des Shoren-in 1 |
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Garten des Shoren-in 2 |
Auf unserem Rückweg durchquerten wir noch einmal den Maruyama-koen und spazierten – inzwischen wieder bei teilweise starkem Regen – zur und durch die Ishibei-koji, die als eine der schönsten Straßen Asiens gilt. Dies konnten wir unmittelbar zwar nicht bestätigen, weil wir einerseits noch nicht alle Straßen Asiens gesehen hatten, das schlechte Wetter und die fehlende Kirschblüte aber auch ihren Teil dazu beitrugen. Wir konnte dennoch erahnen, wie sie bei idealen Bedingungen diesen Titel verdienen könnte.
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Ishibei-koji |
Als wir endgültig genug vom Regen hatten und es ohnehin schon dämmerte, sprangen wir ins nächstbeste Taxi und ließen und zum Hotel kutschieren. Danach stand nur noch entspannen und Abendessen auf dem Plan. Letzteres nahmen wir bei einem nahe gelegenen Streetfood-Markt ein, für japanische Verhältnisse war es jedoch nichts allzu Besonderes.
Auch den nächsten Vormittag ließen wir erstmal ruhig angehen. Anstatt gleich in aller Früh aufzubrechen, schauten wir uns noch gemütlich das Tennisfinale von Indian Wells an, in dem Dominic Thiem mit seinem Sieg über Roger Federer seinen ersten Masters-Titel einfahren konnte. Erfreut über die sportlichen Ereignisse stürzten wir uns am späten Vormittag wieder in den Kulturdschungel Kyotos. Ziel war heute der Norden von Higashiyama (Nordosten Kyotos), wo sich – wer hätte es gedacht – einige wichtige Tempel befinden und man den Tetsugaku-no-Michi, auch bekannt als Philisophenweg, durchschreiten kann. Das Wetter war heute prächtig, weshalb wir beim Bahnhof gleich ins Taxi stiegen, um etwas Zeit zu sparen. Bei der Zielvorgabe entstand aufgrund meiner offensichtlich durchwachsenen japanischen Aussprache ein kleines Missverständnis. Der Tempel, zu dem wir wollten und der sich am Nordende des nach Süden verlaufenden Philosophenweges befindet, hieß Ginkaku-ji. Der sehr nette, aber keineswegs der englischen Sprache mächtige Taxifahrer visierte aber den Jinkaku-ji an, den Goldenen Pavillon, den wir bereits vorgestern beehrt hatten. Auf halber Strecke ist es mir dann doch irgendwie gelungen, ihm klarzumachen, dass wir doch zum Ginkaku-jo beim Philosophenweg wollten. So kamen wir mit einem Umweg dann schließlich mit erhöhtem Taxometerstand bei unserem gewünschten Tempel an. Doch beim Zahlen wurden wir wieder mal Zeuge der japanischen Korrektheit, denn als ich ihm die 3.000 Yen übergab, die die Fahrt ausmachte, gab er mir mit entschuldigenden Gesten einige Hundert-Yen-Münzen zurück. Ich frage mich, wie oft man bei uns zu Hause mit dem Taxi fahren muss, bis einem so etwas passiert …
Der elegante Ginkaku-ji (zum Glück muss ich es hier nicht aussprechen) steht in einem üppigen Garten. Obwohl der Name übersetzt „Silberner Pavillon“ bedeutet, wurde der Plan des Shoguns, das Gebäude komplett mit Silber zu überziehen, nie verwirklicht. Über die durch den Garten führenden Spazierwege gelangt man auf eine Anhöhe, von der aus man wieder einen ganz anderen Blick über Kyoto hat als vom im Westen gelegenen Arashiyama. Neben den Wegen stehen hier und da akribisch geharkte Kegel aus weißem Sand, die zum Staunen anregen. Auch der Teich vor dem Tempel lädt zum Verweilen ein.
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Ginkaku-ji und Garten |
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Ginkaku-ji Garten 1 |
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Ginkaku-ji Garten 2 |
Nachdem es uns gelungen war, uns von diesem wunderschönen Ort zu trennen, folgten wir dem Philosophenweg gen Süden. Der Weg gilt in Kyoto als einer der schönsten Spaziergänge. Dies gilt aber wohl vor allem zu Zeiten der Kirschblüte, denn links und rechts säumen ihn Blumen, Bäume und Büsche, die bei uns allesamt noch keine Blütenpracht zeigten.
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Philosophenweg |
Der Vorteil bei der Sache war, dass zumindest wenig Touristen darauf unterwegs waren. Nach ein paar hundert Metern zweigten wir aber ohnehin schon wieder zum nächsten Tempel, dem Honen-in, ab. Er liegt versteckt an einem Berghang und wird deshalb wohl auch gern von Touristen ausgelassen oder übersehen. Bei uns wurde der Tempel, wie zurzeit so einiges in Kyoto (wir vermuten aufgrund der Vorbereitungen auf die anstehende Kirschblüte), gerade renoviert, weshalb das Gebäude selbst sowie seine Gärten nicht zugänglich waren. So hieß es also wieder umdrehen und zurück zum Philosophenweg, der uns nach einigen weiteren Gehminuten zum traumhaften Eikan-do brachte. Seine unterschiedliche Architektur, die Gärten, der Teich und die Kunstwerke machen ihn besonders interessant und verleihen ihm etwas ganz Eigenes. Über steile Stiegen kann man die taho-to-Pagode erklimmen, von der aus sich erneut ein wunderschöner Ausblick auftut.
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Eikan-do 1 |
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Eikan-do 2 |
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Eikan-do 3 |
Als Letztes stand nun noch der am Südende des Philosophenweges gelegene Nanzen-ji auf dem Plan. Auf dem ausgedehnten Gelände dieses etwas besser besuchten und interessanten Tempels befinden sich einige schöne Untertempel und Gärten.
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Nanzen-ji |
Am Eingang steht der gewaltige San-mon, den man auch erklimmen kann, um von oben auf die Stadt zu blicken. Das taten wir in dem Fall aber nicht, da wir heute schon mehrere schöne Ausblicke genossen hatten. Stattdessen statteten wir zuerst dem Garten des Springenden Tigers, einem typischen Zen-Garten, einen Besuch ab und begaben uns daraufhin zum wohl schönsten Teil des Nanzen-ji, dem Oko-nu-in, einem kleinen Schrein, der versteckt in einer bewaldeten Mulde hinter dem Haupttempel liegt. Bevor man ihn erreicht, geht man unter einem gewaltigen roten Ziegelaquädukt hindurch, das vor allem von Einheimischen für diverse Fotos genutzt wird. Der dafür menschenleere Garten des Oko-nu-in gefiel uns besonders.
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Zen-Garten 1 |
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Zen-Garten 2 |
Abschließend besuchten wir noch einen weiteren kleinen Schrein auf der Anlage, durch dessen Garten wir ebenfalls allein spazieren und die Ruhe genießen konnten. Sobald man irgendwo Eintritt löhnt, kann man den Massen außerhalb tatsächlich sehr gut entfliehen.
Als sich die Sonne langsam am Horizont verabschiedete, verließen auch wir den Nanzen-ji und den Philosophenweg. Ob wir an diesem Tag etwas weiser geworden sind, bleibt abzuwarten, schöne Eindrücke konnten wir aber allemal gewinnen. Da wir doch einige Yen für Taxis ausgegeben hatten, fuhren wir mit dem Bus zum Hotel zurück. Nach einem schnellen Essen in der Nähe nutzten wir den Abend für diverse organisatorische Dinge wie etwa das Schreiben dieser Zeilen.
Ausgewählte Kuriositäten:
- In vielen Tempeln finden sich sogenannte „Nachtigallen-Korridore“. Dieser Name geht auf das Geräusch zurück, das die Dielen verursachen, wenn man sich über sie bewegt. Es wird durch Klemmen verursacht, die an den Nägeln reiben, die in die tragenden Holzbalken eingeschlagenen worden sind. Bis heute glauben viele Leute, dass das Absicht war und vor Eindringlingen warnen sollte. Tatsächlich ist das Geräusch aber nur ein Nebeneffekt der Bauweise.
- Der Spiele- und Konsolenentwickler Nintendo hat seinen Hauptsitz in Kyoto. Die Firma wurde ursprünglich als Hersteller von Spielkarten im Jahr 1889 von Fusajiro Yamauchi gegründet.
- In Japan schüttelt man sich zur Begrüßung und zum Abschied nicht die Hände, sondern verbeugt sich voreinander. Das kann teilweise zu recht kuriosen Situationen führen, in denen sich Bekannte unaufhörlich vor einander verbeugen, während sie sich langsam von einander entfernen.
- In der Innenstadt von Kyoto haben die Schilder von McDonald’s und 7-Eleven nicht ihre Originalfarben, sondern sind stattdessen braun. Das ist auf der Welt einmalig und dient dazu, das schützenswerte Stadtbild zu erhalten.