Ganz nach Plan starteten wir stressfrei in unseren zweiten Tag in Osaka, weshalb wir unser Hotel erst gegen halb 12 zu Mittag verließen und uns erstmal auf Nahrungssuche begaben. Gianni schlug kurzerhand Sushi am Fischmarkt vor, was bei Martin und mir natürlich großen Anklang fand. So war mit dem Kuromon-ichiba-Fischmarkt im Stadtviertel Namba schnell unser erstes Ziel ausgemacht.
Wie fast immer in Japans Großstädten ist man auch in Osaka mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schnell am Ziel. Der Fischmarkt ist mehr oder weniger eine große Markthalle, durch die zwei lange, sich kreuzende Gassen verlaufen, an denen links und rechts allerlei Meeresgetier feilgeboten wird.
Kuromon-ichiba-Fischmarkt |
Wir bummelten zuerst eine Weile, bis der Hunger schließlich so groß war, dass wir uns in eines der vielen kleinen Lokale setzten. Wie schon am Tokioter Fischmarkt war auch hier das Sushi ein wahrer Genuss. Es wird wohl eines der Dinge bleiben, die wir zu Hause am meisten vermissen werden …
Nun, da der Hunger beseitigt war, hatten wir wieder genug Kräfte, um uns noch auf ein wenig Sightseeing zu begeben. Unweit des Fischmarkts liegt das kleine, aber interessante Viertel Shin-Sekai („neue Welt“). In diesem Amüsierviertel trifft Heruntergekommenes auf Retro. Mittendrin steht der 103 m hohe Stahlturm Tsuten-kaku.
Shin-Sekai mit Turm Tsuten-kaku |
Obgleich sich hier immer noch etliche Touristen tummelten, war bei Weitem nicht so viel los, wie in Dotombori oder Amerika-Mura. So wurde es für uns ein kurzer Verdauungsbummel vorbei an Spielhallen, heruntergekommenen Theatern und diversen anderen Touristenunterhaltungen. Um die ältere Kultur Osakas nicht ganz zu vernachlässigen, wählten wir als unser nächstes und letztes Sightseeing-Ziel für den Tag den etwas am südlichen Rand der Stadt gelegenen Sumiyoshi-Taisha-Schrein aus. Auf dem Weg dorthin passierte es uns doch tatsächlich zum ersten Mal auf dieser Reise, in den falschen Zug einzusteigen, denn es gab auf derselben Route eine Express-Bahn und eine regionale (was wir allerdings erst im Nachhinein bemerkten, als wir schon in der Express-Bahn saßen, die bei unserer Station nicht Halt machte). Alles aber nicht weiter schlimm, so mussten wir eben wieder aussteigen und mit dem nächsten Regionalzug zurückfahren.
Nach unserer kleinen Ehrenrunde erreichten wir aber schließlich doch unser gewünschtes Ziel, den Sumiyoshi Taisha. Er war insofern auch eine willkommene Abwechslung, weil sich hier nicht so viele Touristen herumtrieben, wie an den meisten anderen Hotspots.
Sumiyoshi-Taisha-Schrein |
Rote Brücke zum Sumiyoshi-Taisha-Schrein |
Vielleicht sind sie alle in den falschen Zug gestiegen … Der Schrein ist den Shinto-Gottheiten des Meeres und der Seereisen gewidmet. Er gilt als eine Art Hauptwohnsitz aller japanischen Sumiyoshi-Schreine. Die heutigen Bauwerke sind getreue Nachbildungen der antiken Originale. Durch die Anlage fließt ein von Bäumen und Laternen gesäumtes Gewässer, über das eine leuchtend orange Trommelbrücke führt. Die Größe der Anlage ist recht überschaubar, dennoch lohnte sich definitiv ein Besuch.
Danach fuhren wir wieder zurück zum Hotel, heute etwas früher als gewöhnlich, da wir uns noch das Nachtleben Osakas zu Gemüte führen wollten. Für den folgenden letzten Tag in Osaka hatten wir uns ohnehin nichts Fixes vorgenommen, weil wir auch nicht wussten, wie sehr der Fortgehabend eskalieren würde. Und das tat er, zumindest was die Mengen Bier und Gin Tonic betraf. Spätnachts ist zwar nichts mehr von den Menschenmassen zu sehen, die sich unter Tags hier türmen, dennoch gibt es das eine oder andere Lokal, in dem auch an einem Mittwoch noch ein bisschen was los ist. Nach unzähligen alkoholischen Erfrischungsgetränken fanden wir uns irgendwann in den Morgenstunden in einem Taxi zu unserem Hotel wieder und fielen leicht angeheitert in unsere Betten.
Unser letzter Ganztag in Osaka ist somit schnell zusammengefasst: Hotelzimmer – Essen und Kaffee ums Eck – Hotelzimmer. Auch wenn die Nachwehen des Vorabends nicht sehr angenehm waren, tat es doch auch mal ganz gut, einen Tag lang nichts zu unternehmen. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass wir in den kommenden fünf Tagen in Kyoto jeden Tag volles Programm haben werden.
Der „freie“ Ausnüchterungs- und Relax-Tag verlieh uns wieder die nötige Kraft, um am nächsten Tag unseren Weg nach Kyoto, dem Inbegriff von Japan, fortzusetzen. So verließen wir das interessante Osaka, das im Vergleich zu den anderen japanischen Großstädten, die wir bisher besucht hatten, irgendwie aus der Reihe zu tanzen schien. Die Stadt war zwar nicht besonders schön, versprühte mit ihren lebhaften Vierteln aber dennoch ein ganz eigenes Flair. Die Zugfahrt nach Kyoto dauerte nicht einmal 20 Minuten und so waren wir bereits am späten Vormittag in Japans Kulturmekka. Unser Hotel hatten wir praktischerweise wieder direkt am Bahnhof gebucht, also konnte wir noch schnell unser Gepäck abgeben, ehe wir uns auf eine erste Erkundungstour begaben. Hier in Kyoto gibt es all die Dinge, die man mit dem Land der aufgehenden Sonne verbindet: antike Tempel, farbenprächtige Schreine und elegante Gärten. Die Stadt ist eine Art Schatztruhe der Traditionen Japans, nicht nur deshalb pilgern hier auch viele Einheimische her, wenn sie etwas darüber erfahren wollen.
Wir merkten schnell, dass es ein kleiner Fehler war, uns noch kein genaueres Programm für hier überlegt zu haben, denn die schiere Fülle an Sehenswürdigkeiten erschlägt einen fast. Da wir aber gerade wunderschönes Wetter hatten und die folgenden Tage nicht ganz einwandfrei angesagt waren, mussten wir uns schnell für ein erstes Ziel entscheiden. Und so wählten wir den im Norden der Stadt etwas abseits gelegenen Kinkaku-ji, Kyotos berühmten „Goldenen Pavillon“, der vor allem bei Schönwetter ein hübsches Fotomotiv abgibt. Mit der Schnellbahn ging es nordwärts bis etwa zwei Kilometer vor das Tempelgelände. Wir standen vor der Wahl, entweder in den Bus zu steigen oder den Weg zu Fuß zurückzulegen. Da wir gestern nur die notwendigsten Bewegungen ausgeführt hatten, entschieden wir uns für Zweiteres. Der Weg durch kleine Seitengassen ließ noch nicht vermuten, wie viel sich beim Kinkaku-ji abspielen sollte, denn beim Tempel angekommen wimmelte es wieder wie aus dem Nichts von Touristen – wohl eine Tatsache, mit der wir uns in den nächsten Tagen abfinden müssen. Dennoch zahlte sich der Spaziergang durch den schönen Tempelgarten vorbei am ganz mit Blattgold bedeckten Pavillon wirklich aus. Zum Schluss gönnten wir uns noch ein eigenartig, aber nicht schlecht schmeckendes Matcha-Eis.
Moosbedeckter Waldboden am Weg zum Kinkaku-ji |
Kinkaku-ji |
Da der Nachmittag weiterhin strahlenden Sonnenschein versprach, machten wir uns kurzerhand mit Bus und Bahn zu einer der nächsten ganz großen Sehenswürdigkeiten Kyotos auf: dem Fushimi Inari-Taisha. Auch dort erwarteten uns vor allem im Eingangsbereich unzählige Menschen. Der Komplex erstreckt sich über die bewaldeten Hänge des Inari-yama, an denen sich scheinbar endlose Arkaden aus zinnoberroten Schreintoren hinaufwinden. Der Pfad auf den Gipfel erstreckt sich über vier Kilometer, während derer man stets unter den Schreintoren wandert. Zu unserer Freude gingen die anfänglichen Touristenschwärme gefühlt mit jedem Höhenmeter zurück, was das Gesamterlebnis des Schreins wesentlich aufwertete.
Menschenmassen beim Fushimi Inari-Taisha |
Zinnoberrote Schreintore 1 |
Zinnoberrote Schreintore 2 |
Wenn man nicht gerade als Teil einer gewaltigen Menschenschlange pilgert und hier und da fast allein ist, wirkt dieser Ort wie eine Welt für sich. Im Schrein selbst gibt es Hunderte von Steinfüchsen zu entdecken. Das Tier gilt als Bote von Inari, dem Gott der Reisernte, und die Füchse selbst werden auch oft als Inari bezeichnet. Der Schlüssel, den manche Füchse in der Schnauze tragen, öffnet die Tür der Reiskammer. Die Japaner betrachten den Fuchs als heiliges und zugleich mysteriöses Tier, das die Fähigkeit besitzt, in Menschen hineinzuschlüpfen und sie zu beherrschen.
Nach knapp drei Stunden hatten wir das Gebiet fertig erkundet. Im Tal angekommen, bekämpften wir noch schnell unseren gröbsten Hunger an den diversen Essensständen, ehe wir uns erneut mit der Bahn zum Kiyomizu-dera aufmachten, einem der beliebtesten Tempel in Kyoto, von dem aus man auch einen tollen Blick auf die Stadt hat. Von der Bahnstation sind es lediglich ein paar Gehminuten bis zur Tempelanlage. Der Kiyomizu-dera ist vor allem für seine großartige Lage bekannt, denn wie ein Bienenstock thront er hoch oben auf einem Hügel. Leider, und das wussten wir vorher nicht, befand er sich gerade in Restaurierung, weshalb er zumindest von außen nicht wirklich etwas hergab. Dennoch genossen wir den abendlichen Blick über die Stadt sowie den Rest der hübschen Anlage.
Kiyomizu-dera Tempelanlage 1 |
Kiyomizu-dera Tempelanlage 2 |
Sonnenuntergangsstimmung am Heimweg |
Mit der untergehenden Sonne stieg auch wieder der Hunger in uns empor. Auch erste Anzeichen von Müdigkeit machten sich breit, da wir doch noch sehr viel in diesen Tag hineingequetscht hatten und recht viel gegangen waren. Also fuhren wir zurück zum Hotel und bezogen erstmal unser Zimmer, in dem wir feststellten, dass es nur für zwei Personen hergerichtet war. Zum Glück hatten sie auf das dritte Bett einfach nur vergessen und gestalteten das Zimmer während unseres Sushi-Abendessens am Bahnhof so um, dass wir uns nicht in zwei Betten zusammenkuscheln mussten …
Unser erster Halbtag in Kyoto hat uns bereits gezeigt, was uns im Laufe der nächsten Tage erwarten wird. Viel eindrucksvolle Kultur, schöne Gärten und massenweise Touristen. Wie es scheint, kommt das eine ohne das andere nicht aus. Wir sind trotzdem sehr gespannt.
Ausgewählte Kuriositäten:
- In Kyoto gibt es 17 UNESCO-Weltkulturerbestätten, 1.600 buddhistische Tempel und 400 Shinto-Schreine.
- In Kyoto gibt es jedoch nicht nur viele Tempel und Schreine, sondern auch sieben von einander unabhängige Bahngesellschaften. Das macht das Vorankommen im öffentlichen Verkehr nicht gerade einfacher, da die Zeit für das Umsteigen sehr knapp bemessen sein kann und man in der Regel auch noch neue Tickets kaufen muss …
- Kyoto steckt voller Kultur. Das liegt vor allem auch daran, dass die Stadt während des Zweiten Weltkriegs weitgehend von den Bombardements der Amerikaner verschont geblieben ist. Dabei wurde sie sogar als mögliches Ziel für den Abwurf der ersten Atombombe gehandelt.
- In Japan gibt es insgesamt um die 77.000 buddhistischen Tempel und 81.000 Schreine.